Der Neue Mann vernetzt sich

Mein erster Blogbeitrag seit langem ist dem Thema Vernetzung gewidmet. Aber zuerst ein paar Worte zu meinem Schweigen in jüngster Zeit. Ich merke, dass mich die ganze Situation um Corona, die Diskussionen darüber und die Spaltung unserer Gesellschaft durch das Thema etwas blockiert haben. Ich wollte nicht mehr darüber schreiben – und andere Themen traten etwas in den Hintergrund. Darunter ziehe ich jetzt einen dicken Strich und widme mich wieder meinen angestammten Themen. Denn sie sind nach wie vor relevant. Sie sind mir nach wie vor wichtig. Und ich sehe weiterhin „Bedarf“.

Ein anderer Grund war, dass ich mich bezüglich Männerthemen und Männerarbeit in eine etwas andere Richtung bewege. Ein kurzer Blick zurück:

Es war an einem Seminar vor sechs Jahren. Wie immer war ich einziger Mann unter Frauen, wenn es um Meditation, Achtsamkeit und Bewusstsein ging. Ich erwachte mitten in der Nacht und konnte nicht mehr einschlafen. Da war etwas, das angeschaut werden wollte. Also habe ich mich aufgesetzt, habe meditiert und bin diesem Gefühl nachgegangen. Es dauerte nicht lange, da kam ganz klar das Bild oder die Vision, dass ich „etwas für Männer tun“ müsse. Die Männerwelt hat es dringend nötig, dass sie sich auf den Weg des Bewusstseins macht. Genau, die Männer und die Welt haben es nötig. Und es wurde auch gleich klar, dass ich ein Blog zu Männerthemen machen würde. Keine Woche später ging ich mit dem ersten Beitrag im Blog „Männerherz“ online. 

Im Verlauf der Jahre sind einige Beiträge entstanden, die sich zunächst vor allem um die Themen Achtsamkeit und Bewusstsein drehten und in einem zehnteiligen Beitrag „10 Regeln zum Glück“ zusammengefasst sind.

Ein nächster Schritt erfolgte vor vier Jahren, als mich Hannes auf die Manngeburt aufmerksam machte und mir so die Türe zu konkreter Männerarbeit und verstärkt zum Thema Mannsein öffnete. Es folgte die Manngeburt und meine Hinwendung zu einem etwas mehr geerdeten Ansatz. Wir schlossen uns als Männerwelten zusammen, gründeten einen Verein und entwickelten Angebote für Männer. Hier geht es in kleinen Schritten vorwärts – aber wir sprechen immer wieder darüber, dass die Männerwelt sich noch zu wenig auf die unserer Ansicht nach wichtigen Themen einlässt. Wir wollen Männer in Bewegung bringen, haben wir uns zum Ziel gesetzt.

Aber wenn wir in die Welt schauen, wenn wir sehen, wie die meisten Männer leben – nämlich im Hamsterrad von Erwartungen und Ängsten, unbewusst und dem Materiellen verhaftet – dann empfinden wir unser Wirken als ein Tropfen auf den heissen Stein. Manchmal sehe ich jüngere Männer, die das Neue bereits wie selbstverständlich leben. Die ihr Herzensprojekt durchziehen, sich ihrem Vatersein intensiv widmen, eine gleichberechtigte Beziehung leben. Ich denke, dass es der jüngeren Generation leichter fällt. Aber noch längst nicht alle sind so weit. Wie viele Männer leben unbewusst und sind verunsichert? Haben nicht gerade auch junge Männer heute Mühe, ihren Platz zu finden? Ihre Rolle im Leben zu finden? Fehlten nicht auch ihnen die Vorbilder, die zeigen können, was es auch noch gibt oder wie ein erfülltes Leben aussieht? 

Auch wenn es also durchaus ermutigende Zeichen gibt, bin ich weiterhin überzeugt, dass gerade wir Männer in unserer Gesellschaft einen grossen Schritt tun müssen. Unserem Planeten Erde geht es nicht gut – und wir sind daran schuld. Unsere männerdominierte Gesellschaft und Wirtschaft haben den Planeten an den Rand des Untergangs gebracht. Wir haben geglaubt, wir sollten uns die Erde Untertan machen und haben sie behandelt, also ob es mehrere davon gäbe. Wir haben den Bezug zur Natur weitgehend verloren. Wir haben den Bezug zu unserem Herz und unserer Seele verloren. Wenn ich manchmal die Menschen so betrachte – herz- und seelenlos – dann denke ich, dass uns die Künstliche Intelligenz schon bald überholen wird. Denn rechnen und kühl analysieren kann die besser als wir. Aber wir sind so viel mehr.

Und viele Männer sind total verunsichert. Sie dürfen nicht (mehr) Macho sein und sollen auch keine Weicheier oder Waschlappen sein. Den alten Frauenheld, den Macker, der alles weiss und alles kann, will niemand mehr haben. Männer sollen Gefühle zeigen, liebevolle Väter sein, verständnisvolle Partner und doch sollen sie selbstbewusst, stark, durchsetzungsfähig, aggressiv und wissend sein. Sie sollen keine Softies, keine Schlappschwänze sein. Lauter Widersprüche! Wie soll man sich da noch auskennen? Es gibt dann Männer, die sich quasi aus dem Rennen nehmen. Die sich entweder in einer Gruppe Gleichgesinnter zurückziehen und nur noch über die Welt und die Weiber wettern. Die #metoo-Debatte hat das noch verstärkt. Jeder Mann ist ein potentieller Vergewaltiger. Und ja, viele Männer haben grundsätzlich ein Gewaltproblem. Wer dann aber seine Aggression unterdrückt, sie ins Unbewusste verdrängt und nur noch gut und lieb sein will, der schneidet sich von seiner Kraftquelle ab. Dieser Mann wird dann eben zum Waschlappen, den dann doch niemand haben will. (Dagegen hilft übrigens das Seminar Wut – eine Herzensangelegenheit).

Und was können wir tun? Was sich als kompletter Widerspruch anhört und anfühlt, ist in Wirklichkeit sehr vielschichtig und durch unsere Gesellschaft extrem verkompliziert worden. Wir müssen wieder zurück zu unseren (gesunden) Wurzeln. Dabei müssen wir viel Mist und Schlacke wegschaffen, müssen den Sumpf trockenlegen, in dem wir feststecken. Wir müssen uns unseren Schattenseiten stellen, den unterdrückten Anteilen, und ihnen furchtlos begegnen. Und was besonders wichtig ist: Wir müssen das für uns und bei uns tun, nicht wegen einer Partnerin oder um anderen zu gefallen. Es ist wie im Märchen: erst wenn wir den Drachen besiegt haben, können wir König werden und kriegen die Prinzessin als Königin zur Frau. Du musst also zuerst König werden in deinem Reich. Das bedeutet viel Arbeit und einige Schlachten, die du zu schlagen hast und gewinnen musst. 

Das ist wichtig für dich und wichtig für unsere Welt. Wir brauchen solche reifen Männer, wahre Erwachsene, die die Verantwortung für ihr Leben in die Hand genommen haben. Mit deiner Entwicklung wird auch die Welt eine bessere. Ein solcher Neuer Mann behandelt seine Mitmenschen mit Respekt. Er bringt Bewusstsein und Liebe in diese Welt und in seine Beziehungen. Das ist extrem wichtig und extrem nötig. Und so fragen wir uns immer wieder, wie wir mehr Männer erreichen können.

Letztes Jahr besuchte ich am Abend ein virtuelles Referat von Mario Meier zum Thema „Der Neue Mann“. Er sprach mir völlig aus dem Herzen und inspirierte mich. Dann kam wieder eine Nacht, in der ich aufwachte und nicht mehr einschlafen konnte. Da war etwas, dem ich mich auf dem Meditationskissen zuwandte. Die Vision war wieder ganz klar: ich will ein Buch schreiben zum Neuen Mann. Und weiter: ich bzw. wir mit Männerwelten müssen uns stärker vernetzen. Und es entstand ein Konzept für ein Buch, ein Sammelband, eine Plattform zum Vernetzen und Ausbauen der Community. Diese Vision teilte ich mit Hannes, der sofort begeistert einstieg.

Das war vor etwa einem Jahr. Mittlerweile ist das Buchprojekt in den Hintergrund getreten, dafür steht die Vernetzung im Vordergrund. Wir haben unsere Idee zuerst einzelnen Männern präsentiert. Es kamen immer mehr hinzu, die Vision veränderte und verfeinerte sich. Wir drehten eine Runde, verloren wieder einige Begleiter. Aber schliesslich kristallisierte sich eine Gruppe von acht Männern heraus, die nun gemeinsam die Idee vom Männer Netzwerk Schweiz konkretisiert. Wir werden in den nächsten Wochen mit unserer Idee und Plattform online gehen. Stay tuned!

Ich werde in der Zwischenzeit in meinem Blog Männerherz und auf Männerwelten meine Gedanken zum Thema Neuer Mann vertiefen.

Abgang des Schattenmagiers und -königs

Nach dem langen Ab und Auf der letzten Woche konnte ich am Sonntag endlich aufatmen: die Abwahl von Donald Trump als Präsident der USA wurde zur Gewissheit. Auch die letzten Tage haben mir klar vor Augen geführt, wie sehr dieser abgewählte Präsident die Schattenaspekte der männlichen Archetypen verkörpert. Auch das Nichtakzeptieren der Niederlage gehört dazu. Und es öffnet sich ein Tor der Hoffnung. Sie verkörpert vor allem die Vizepräsidentin, die als erste Frau und als erste „Farbige“ (Nicht-Weisse) dieses Amt bekleiden wird. Die Ansprachen von Biden und Harris zeigen, dass hier echte Leader und empathische Menschen sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

Aber zurück zum abgewählten und hoffentlich bald auch abtretenden Präsident Trump. Was hat er uns zu sagen? Es ist ja klar, dass Trump nur als gesellschaftliches Phänomen zu verstehen ist. Er ist auf einem ganz bestimmten Nährboden gewachsen. Das gesellschaftliche und politische System der USA haben ihn als Präsident erst möglich gemacht. Und damit ist er ganz eindeutig ein Ausdruck dieses Systems. Und wenn wir davon ausgehen, dass die USA schon seit Jahrzehnten einen sehr grossen Einfluss auf unser aller Leben haben, dann hat Trump auch uns etwas zu sagen. Auch bei uns kann er auf Anhänger zählen, obschon das für mich völlig unvorstellbar ist. Es muss doch klar sein, dass Trump in die unterste Schublade gehört? Ich habe ihm auch schon Blogbeiträge gewidmet. Dabei habe ich beschrieben, wie Trump die Schattenseite der männlichen Archetypen verkörpert: Er ist der Schattenmagier, indem er lügt und betrügt; er ist der Schattenliebhaber, indem er Frauen belästigt und das Trennende sucht, indem er hasst anstatt liebt; er ist der Schattenkönig, indem er sich nicht um die Gemeinschaft kümmert sondern immer nur um sich selbst, indem er autoritär regiert und sich an keine Regeln hält; er ist der Schattenkrieger, indem er nur für seine eigenen Interessen kämpft und seine Aggression nur destruktiv einsetzt und indem er sich als Opfer inszeniert, statt als aufrechter Kämpfer in der Niederlage. Wenn also jemand wissen will, wie die Schattenausprägung eines Magiers und eines Königs aussieht: voilà!

Das scheint mir eine der zentralen Aufgaben zu sein, die Trump hier und in seiner Rolle als Präsident hat bzw. gehabt hat: Er führt uns vor Augen, wohin die meist nicht so offensichtlichen Eigenschaften des rücksichtslosen Egomanen, Lügners, Ausbeuters und Narzissten führen. Denn das ist doch das Wesen unserer westlichen Gesellschaften, oder zumindest eine nicht zu übersehende negative Eigenschaft unserer Gesellschaft. Trump deckt dies mit seinem Verhalten auf – natürlich unbewusst, aber für uns deutlich sichtbar. Er übersteigert unsere täglichen kleinen Lügen (auch uns selbst gegenüber), unseren Egoismus, unsere Rücksichtslosigkeit, unsere Ausbeutung der Natur, unsere Vorurteile, unsere Opferhaltung usw. ins Unermessliche. An Trump können wir somit sehen, wohin wir und unsere Erde gehen, wenn wir uns nicht grundlegend ändern. Versteht ihr diesen Wink mit dem Zaunpfahl? Trump ist eine Karikatur unserer Gesellschaft und unserer eigenen Unwahrheiten und unseres Egos. Und ich denke, dass er uns nicht so schnell in Ruhe lassen wird. Seine Abwahl bedeutet noch nicht seinen Abgang. Wir können also bestimmt noch länger von ihm lernen…

Dann sind da die unglaublich zahlreichen Anhänger, sogar bei uns. Weshalb spricht dieser in meinen Augen völlig unmögliche Mensch so viele Menschen an? Wir mögen lächeln, wenn ein einfacher Amerikaner sagt, dass Trump auf seine Bedürfnisse höre und dass er es „denen da oben zeigt“ (in Washington – man könnte auch sagen in Bern, in Berlin, in Brüssel…). Auch hier wird uns schonungslos ein grosses Defizit unserer Gesellschaften aufgezeigt: Wir hören nicht auf die Sorgen und Nöte der einfachen Menschen. Wir verbreitern den Graben zwischen den Schichten (so hätte man es früher genannt) immer mehr. Die Intellektuellen, die Erfolgreichen (das sind nicht immer dieselben…) sondern sich immer mehr in ihrer Blase ab. Sie beschäftigen sich mit Fragen, die an den täglichen Sorgen und Nöten der Nicht-Erfolgreichen, der Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, vorbei gehen. Wir müssen versuchen, diese Menschen mit auf unsere Reise zu nehmen. Der erste Schritt ist es, diese Sorgen und Nöte ernst zu nehmen. Der zweite Schritt besteht darin, zu erklären, weshalb wir etwas so und nicht anders tun. So macht es der echte König: er sorgt für sein ganzes Volk. Und genau das hat Joe Biden in seiner ersten Ansprache nach der Bestätigung seiner Wahl so gesagt. Er will Präsident von allen sein, auch von denen, die ihn nicht gewählt haben. So spricht ein König.

Zurück zur Faszination von Trump für viele Leute. Wir projizieren ständig unsere Bilder auf andere. Trump erleben wir alle nur über die Vermittlung der Medien. Ich kenne ihn nicht persönlich, und normalerweise würde ich mir auf einer solchen Basis kaum ein Urteil über einen andere Menschen erlauben. Aber bei Trump scheint das zu gehen. Und so funktioniert es wohl auch mit den aus meiner Sicht negativen Aspekten, die bei anderen für Bewunderung sorgen: Trump lebt offenbar etwas vor, das andere auch gern täten. Aber nicht können oder nicht dürfen. Mit seiner ungehobelten Art kann sich ein Redneck sehr gut identifizieren. Ja, genauso würde er auch mal gerne auf den Tisch hauen und seinen Vorgesetzten die Meinung sagen. Ihr könnt mich alle mal! Und so gescheit wie Trump bin ich ja allemal! Und vielleicht werde ich auch mal so reich und erfolgreich wie er!

Trump ist auch ein Gegenstück zur Entwicklung, bei der alles politisch hyperkorrekt sein muss. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt. Man darf dies nicht sagen und jenes nicht mehr. Aber wenn ich in diesen gesellschaftlichen Diskurs nicht involviert bin, kann ich das alles nicht verstehen. Und dann kommt einer, der sich keinen Deut um all diese Konventionen kümmert und einfach (und dumm) drauflosschwatzt. Das ist dann eben mein Held! Sonst kann man das ja höchstens noch am Stammtisch oder in einem Verein Gleichgesinnter ausleben. Und dieser Typ macht das vor, live und vor laufender Kamera. Trump macht es also möglich, dass man die Faust aus dem Sack nimmt und dem Gegner vor die Nase hält. Er nimmt sich, was er will – und ist dadurch ein Vorbild für viele, die das gerne auch so täten.

Ich habe in meinem Berufsleben erfahren, dass man bei Veränderungen dafür sorgen muss, dass möglichst alle mit im Boot sind. Nur wer die Veränderungen mitgestalten oder sie zumindest nachvollziehen kann, trägt sie mit. Wir haben bei den rasenden Veränderungen unserer Gesellschaft offenbar zu viele Menschen abgehängt. Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst viele verstehen, warum wir was tun. Das beginnt damit, dass wir zuhören und miteinander reden. In einem nächsten Schritt müssen wir darauf Acht geben, dass möglichst viele an den Segnungen der Entwicklung teilhaben können. Wir müssen soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit bekämpfen. Wir müssen die Ausbeutung der Menschen und der Natur stoppen. Denn reden alleine wird nichts nützen.

Und jetzt danke ich Mr. Trump für diese Lektion. Und hoffe, dass möglichst viele sie verstanden haben. Ich höre immer wieder, dass jetzt die Zeit für Veränderung gekommen sei. Worauf warten wir denn noch? If not now, when?

Reden ist Silber – Zuhören ist Gold

Ich könnte diesen Beitrag auch unter dem Titel „Miteinander statt Gegeneinander“ schreiben. Schon länger nehme ich diese Spaltungstendenz in unserer Gesellschaft wahr, die durch die COVID-19-Entwicklungen massiv verschärft wird. Und die sozialen Medien spielen dabei eine wichtige Rolle. Jeder nimmt sich selbst enorm wichtig und beglückt die Welt mit seinen Botschaften. Reden tun alle – aber kaum einer hört wirklich zu. Dabei wäre das so wichtig.

Es ist extrem schwierig, sich dieser Spaltung zu entziehen und bei sich zu bleiben. Statt ins Entweder-Oder zu gehen beim Sowohl-Als-Auch zu bleiben. Das ist mir bisher noch nie so existenziell vorgekommen. Natürlich war man sich in politischen und gesellschaftlichen Fragen nicht einig. Klar hat man sich bekämpft und zu übertönen versucht. Aber der Graben ging noch nie so nah an mir vorbei, hat bisher kaum Familie und Freundschaften betroffen. Im engeren Kreis waren wir uns mehr oder wenig einig. Wir fanden Gruppierungen und Parteien, die unsere Anliegen vertraten. Ob Umwelt- und Klimaschutz, ob Europafrage oder Ausländerpolitik – wir wissen, an wen wir uns wenden können. Es ist uns meistens auch bewusst, dass es Ansichtssache ist. Gut, beim Klima spielen die „neuen Fronten“ auch mit. Hier berufen sich die einen auf Wissen und Wissenschaft und andere glauben nicht daran. Ob man die Klimakatastrophe sieht oder nicht, ist eine Glaubensfrage.

Ich will nicht zu weit ausholen, denn konkret geht es mir um die Coronafrage und wie sie unsere Gesellschaft spaltet, mitten durch unsere Familien und Freundschaften hindurch. Vor zwei Wochen war ich in einem Männerwochenende, und da war einer der Freunde ein bekennender Anhänger von QAnon. Wir konnten ziemlich offen unsere Ansichten vertreten ohne dass wir uns in die Haare gerieten. Für mich war es ein starkes Zeichen unserer Gemeinschaft, dass sie zwei sehr gegensätzliche Positionen aushält. Und mir ist dabei klar geworden, dass wir viel zu selten dem anderen zuhören und ihn wirklich zu verstehen versuchen.

Gestern hatte ich eine Begegnung, bei der das Gegenüber fand, die Demo in Berlin sei super gewesen. Da habe ich weniger gelassen reagiert sondern meine Meinung kundgetan, dass das sehr naiv und gefährlich sei. Und gleichzeitig habe ich auch zugestanden, dass es momentan sehr schwierig ist, eine kritische Haltung zu den behördlichen Anordnungen öffentlich zu äussern. Ich finde es tatsächlich naiv und gefährlich, wenn man sich an Aktivitäten von antidemokratischen bis nationalistischen Kreisen beteiligt. Diese Kreise lenken die Aufmerksamkeit und auch die Energie der Mitmarschierenden auf sich und nutzen sie für ihren Machtzuwachs. Und ich bin überzeugt, dass viele, die hier etwas gar blauäugig mitgegangen sind, diese Konsequenz eigentlich nicht möchten. Deshalb rate ich dringend, sich von diesen Kreisen und Netzwerken zu distanzieren.

Aber gleichzeitig muss ich auch sagen: Wie können sich kritische Stimmen sonst äussern, so dass sie auch von den Entscheidungsträgern wahr- und ernstgenommen werden? Qualitätsmedien, die ich üblicherweise konsultiere, haben in den letzten Wochen immer häufiger auch kritische Beiträge veröffentlicht. Von einer gleichgeschalteten Medienlandschaft kann also nicht die Rede sein. In der Schweiz habe ich auf diesen Kanälen Beiträge von Wissenschaftlern gelesen, die einige kritische Fragen gestellt haben. Das finde ich eine erfreuliche Entwicklung. So zum Beispiel das Interview im Tagesanzeiger mit dem Infektiologen Pietro Vernazza mit einem anschliessenden Fakten-Check (https://www.tagesanzeiger.ch/sieben-unbequeme-fragen-zu-corona-587614343016 – leider nur im Abo zugänglich). Sonst befinden sich die verschiedenen Lager in Parallelwelten, die kaum Berührungspunkte zu haben scheinen. Man erreicht fast ausschliesslich die Gleichgesinnten und bestärkt sich gegenseitig in der Empörung oder der Rechthaberei. Und damit vertieft man den Graben, der sich zwischen diesen Lagern gebildet hat.

Mich irritiert, dass die Behörden die bisher getroffenen Massnahmen nicht kritisch hinterfragen (zumindest nicht öffentlich). Ich hatte zu Beginn Verständnis für übereilte und nur schwach begründete Aktivitäten. Es galt für alle Regierungen, dass man schnell etwas tun musste. Grundlage für diese Dringlichkeit war die Aussage, dass sich hier ein komplett neues Virus rasend schnell ausbreitet, das sehr gefährlich ist. Als Beleg galten Erkenntnisse aus China und Bilder aus Norditalien mit chaotischen Zuständen in Spitälern und auf Intensivstationen und von Karawanen von Särgen, die nur mit Hilfe der Armee abtransportiert werden konnten. Das war sehr schockierend und hat unsere Politiker und ihr Handeln stark geprägt. Und dieses Verhalten war gewissermassen ansteckend: ausser Schweden auf der einen Seite und einige Schurkenstaaten auf der anderen Seite (ich nenne jetzt keine Namen…) haben sich alle Regierungen ziemlich ähnlich verhalten. Ich habe meiner Liebsten, die diesbezüglich etwas skeptisch war und ist, jeweils erklärt, dass halt kein Politiker und keine Politikerin verantwortlich sein möchte für den Tod von Tausenden von Menschen. Entsprechend fand ich dieses Verhalten durchaus verantwortungsbewusst.

Jetzt – ein halbes Jahr später – kann man da nicht einmal einen Zwischenhalt einlegen, bevor die nächste Runde der einschneidenden Massnahmen eingeläutet wird? Ist das Virus wirklich so neu? Wie steht es mit den überraschend vielen Menschen, die entweder ganz immun sind oder keine Symptome zeigen? Ist das Virus etwa doch näher an den bekannten Coronaviren? Diese Fragen haben auch schon Immunologen gestellt – aber beantwortet wurden sie nicht. Wenn es so wäre – wären die Massnahmen dann noch gerechtfertigt?

Ist das Virus so extrem gefährlich, dass sich die einschneidenden Massnahmen rechtfertigen lassen? Ein Lockdown ist eine extreme Massnahme – sie schädigt die Wirtschaft und somit die Existenz vieler Menschen und ganzer Branchen. Sogar das Gesundheitswesen wurde heruntergefahren, was aus Sicht von Ärzten fahrlässig war und die Gesundheit vieler Menschen gefährdet oder geschädigt hat. Physisch und noch stärker psychisch. Die soziale Isolation der Senioren in Alters- und Pflegeheimen finde ich unhaltbar. Ich möchte für mich oder für meine Angehörigen selbst bestimmen, ob ich lieber das Risiko einer Krankheit eingehe und dafür allenfalls im Kreise meiner Lieben sterben darf oder ob ich mich davor schützen will und dafür auf den Kontakt zu Mitmenschen verzichte. Aber auch die Einschränkungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene finde ich einschneidend. Vor allem, wenn man jetzt deutlich sieht, dass die allergrösste Mehrheit kaum Symptome entwickelt. Klar gibt es schwerwiegende Fälle – wie bei jeder Infektion, ob sie durch ein Virus (Influenza, Corona, Herpes etc.) oder durch Bakterien ausgelöst wird. Aber insgesamt können wir doch auf unser Immunsystem vertrauen, das eine ziemlich gute und erfolgreiche Erfindung der Natur ist.

Wo aber sind diese Stimmen? Werden sie gehört? Wird darüber diskutiert? Wird abgewogen und verworfen? Wir wissen es nicht, da die Regierungen, die Expertengruppen oder die Taskforce hinter verschlossenen Türen verhandeln. Die Intransparenz dieser Entscheidungsfindung ist ein weiterer Punkt, der kritische Menschen wütend macht. Und die Verschwörungstheorien geradezu befeuert. Wir brauchen offene Foren, in denen Argumente sachlich ausgetauscht werden, in denen Pro und Contra abgewogen werden und die Entscheidungsprozesse transparent machen. Und was ich gar nicht mag, ist wenn man mich für dumm verkaufen will. Als Beispiel dafür möchte ich nur die offizielle Haltung der Schweiz zu den Schutzmasken erwähnen. Als man keine auf Reserve hatte, hiess es, dass Masken nichts nützen. Heute sind sie das Mass aller Dinge für einen vernünftigen Umgang mit der Bedrohungslage. Kann man nachvollziehen, dass ich damit etwas Mühe habe?

Ein weiterer Punkt sind die Zwangsmassnahmen. Sie wurden mit der Gefährlichkeit und der Bedrohungslage begründet. Wie wäre es mit etwas mehr Vertrauen in die Urteilsfähigkeit und Mündigkeit der Menschen? Zumal die Zwangsmassnahmen, wie eben gezeigt, auf relativ wackligem Fundament gründen?

Überhaupt, das Wissen und die Wissenschaftlichkeit, die den Massnahmen zugrunde liegen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass verschiedene Wissenschaftsdisziplinen sehr unterschiedliche Auffassungen davon haben, was wahr ist und was nicht. Wissenschaft funktioniert aber eben im Diskurs. Niemand hat die Wahrheit gepachtet, sondern kann allenfalls gewisse Aspekte der Wahrheit beleuchten. Der Immunologe sagt, das Virus sei gar nicht so neu und so schädlich. Der Epidemiologe rechnet vor, wie schnell sich die Pandemie entwickelt und entwirft Szenarien – die dann oft als Prognosen missverstanden werden. Die Virologen erkennen die Mutationen des Virus und entwickeln Tests, wie man die Viren nachweist. Nur bedeutet dann der positive Nachweis eines Virus halt eben nicht, dass der betroffene Mensch krank ist. Das weiss dann wiederum der Internist, der Allgemeinmediziner oder auch die Pflegefachfrau, die aus der Patientensicht die ganze Aufregung nicht verstehen – aber sehen, dass die Menschen nun gar nicht mehr zum Arzt gehen, auch wenn sie eigentlich wirklich krank wären – aber einfach nicht an COVID-19 erkrankt sind. Ich könnte jetzt auch noch die Ökonomen, Soziologen und Psychologen erwähnen oder mich als Historiker beiziehen, der dann vielleicht Parallelen zu früheren Epidemien zieht – und vielleicht auch die Unterschiede erkennt. Und übrigens fehlen die *innen hier nicht zufällig. Ich habe seit März fast nur Männer gesehen und gehört, die sich als Experten in den Medien und den Taskforces zum Thema äussern durften. Und genau – wer sitzt eigentlich in diesen Taskforces? Wie wurden die Mitglieder ausgewählt? Wer hat das Sagen? Wer hat direkten Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger? Und wer ist davon ausgeschlossen?

Welche Wirkungen haben die medizinischen Massnahmen auf die Patienten? Ich habe schon gesagt: die Isolation der Senioren ist unmenschlich und hat einen grausamen Schaden bei vielen angerichtet. So viele sind vereinsamt und daran gestorben. Das geht so nicht! Das verstösst gegen grundlegende Menschenrechte. Dann sind auch die Folgeschäden der künstlichen Beatmung (im Koma) brutal. Das werde ich in meiner Patientenverfügung jedenfalls berücksichtigen.

Ich finde es legitim, solche kritische Fragen zu stellen und sie zu äussern. Ich vermute hinter den Aktivitäten unserer Regierungen keine bösen Absichten und keinen perfiden Plan zur Errichtung einer Weltregierung. Aber wir erleben gerade schon eine gefährliche Tendenz, indem kritische Stimmen einer Minderheit einfach nicht gehört werden. Es fehlen uns momentan die Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, wenn die Meinung von derjenigen der Machthaber (Regierung, Experten) abweicht. Gerade das Schweizer Beispiel belegt, dass Demokratie nicht die Dominanz der Mehrheit bedeutet. Unsere Geschichte hat gelernt, dass wir dann stark sind, wenn wir es schaffen abweichende Meinungen und Strömungen zu integrieren und ihnen Einfluss zu geben, sie an der Macht zu beteiligen. Das Schweizer Konkordanzsystem lebt davon. Entscheidungen werden als Kompromisse formuliert und dann von einer Mehrheit getragen. Das dauert manchmal etwas länger und manchmal gar unendlich lange, aber irgendwann klappt es dann doch (ich meine das Frauenstimmrecht oder jetzt gerade den Vaterschaftsurlaub). Diese Diskussionskultur und dieser Respekt abweichender Meinungen macht für mich eine Demokratie aus. Und souveräne Führungspersönlichkeiten (also wahre Erwachsene) haben keine Angst vor dieser Auseinandersetzung.

Was können wir tun? Ich bin da auch etwas ratlos. Jetzt gerade schreibe und veröffentliche ich in meinem Blog meine Meinung zu dieser Frage. Es ist ein winzig kleiner Schritt. Aber ich möchte damit alle anderen ermuntern, aus den Schützengräben rauszukommen und aufeinander zuzugehen. Wie wäre es, dem anderen einfach mal zuzuhören und zu verstehen versuchen, was ihn oder sie bewegt? Und mein Kollege Stefan Wolff würde jetzt dazu aufrufen, sich mit den eigenen Dämonen, also mit den eigenen Ängsten zu befassen. Was bekämpfst du am anderen, das eigentlich in dir selber steckt, aber vielleicht unterdrückt wurde?

Darüberhinaus hat das aber eine politische Tragweite, die über das rein persönliche hinausgeht. Klar, muss ich bei mir beginnen. Aber in diesem Fall scheint mir wichtig, dass wir auch im aussen aktiv werden und das Feld nicht den Spaltern und Hassern überlassen. Lass uns das Gegenteil tun: Verbindung und Liebe verbreiten! Peace and Love!

Männer auf, im und am Wasser

Die Kanutour von Männerwelten startete am Freitag, 10. Juli 2020 unterhalb des Rheinfalls bei Neuhausen. Neun Männer trafen sich hier, um unter der Leitung von Markus den Rhein in Kanus zu befahren. Die von Sportegge Alder Eglisau (https://www.sportegge.ch) gemieteten Kanus waren komfortabel, da wir jeweils zu zweit ein Dreier-Kanu erhielten, die genügend Platz für unser Gepäck boten. Die meisten von uns waren Neulinge im Kanu-Paddeln – und waren entsprechend etwas aufgeregt vor dem Start. Nach einer kurzen Instruktion ging es los, und schon bald bewegten sich die Kanus den Rhein hinunter. Wobei – mit dem Gegenwind einer aufziehenden Störung hatten wir so nicht unbedingt gerechnet. Statt sich bequem von der Strömung treiben zu lassen, mussten wir ganz ordentlich paddeln.

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Der Grüne Mann

Grüner Mann, Wilder Mann: Er hat schon länger in mir geschlummert, nun tritt er aus dem Verborgenen und will sich zeigen. Als Wilder Mann habe ich ihn in der Manngeburt kennengelernt. Und als Grüner Mann wurde er mir von der weiblichen Seite (wieder mal…) in Erinnerung gerufen. Weiterlesen

Trennen und spalten

Ich beobachte in jüngster Zeit – also in der Corona-Zeit, wie wir Menschen uns wie selbstverständlich trennen und spalten. In den Medien, vor allem den sozialen Medien, nehme ich wahr, wie wir uns in zwei Lager trennen. Das scheint einem menschlichen Bedürfnis zu entsprechen, und ich möchte heute diese Tendenz zur Trennung und Spaltung betrachten. Weiterlesen

5 Jahre Männerherz

Am 19. Mai 2015 startete ich das Abenteuer Männerherz mit dem ersten Blogbeitrag. Seither habe ich hier 149 Beiträge veröffentlicht, die von 15’405 Besuchern 44’209 mal aufgerufen wurden. Wobei es sich mehrheitlich wohl um Besucherinnen handelte… Mein Anspruch war „etwas für Männer“ zu tun und sie zu motivieren, sich auf einen neuen Weg zu begeben. Weg von Karriere und Haben, von Schein und Mackertum hin zu Bewusstsein und Sein, zum wahren Erwachsenen. Nach einem Jahr veröffentlichte ich die „10 Regeln zum Glück„, dann eine eher kritische Standortbestimmung zum zweijährigen Jubiläum und zum dreijährigen Jubiläum eine weitere Zwischenbilanz. Vor zwei Jahren hatte ich ein erstes Wochenende in der Manngeburt hinter mir und blickte auf die kommenden Seminare sowie auf die begonnene Zusammenarbeit mit Hannes.  Weiterlesen

Erst prüfen, dann teilen

Ich nehme immer häufiger eine schiere Verzweiflung über die aktuelle Situation wahr. Ich rede von der COVID-19 Pandemie und den Massnahmen der Behörden. Manchmal fühle ich echt mit, vor allem mit Menschen, die unter den Einschränkungen wirklich leiden. Da gibt es ganz viele Aspekte, die echt himmeltraurig sind. Und ich ziehe daraus für mich meine Lehren. So ist mir ganz deutlich vor Augen geführt worden, dass ich mir mein Selbstbestimmungsrecht auch als Senior nicht nehmen lassen werde. Ich werde alle Vorkehrungen treffen, damit ich nicht eines Tages in einem Heim weggesperrt werde und womöglich auf einer Intensivstation intubiert röchelnd alleine ohne meine Angehörigen sterben muss. Das ist ein grosses Thema für mich und für unsere Gesellschaft. Das Selbstbestimmungsrecht über unseren Körper, unsere Gesundheit und unser Sterben. Wenn das nicht eine wertvolle Lehre ist, die uns Corona vermittelt! Weiterlesen

Der tiefere Sinn

Die für mich wichtigste Frage lautet: Was will mir das sagen? Wir können sie uns stellen, wenn es um Ereignisse im persönlichen Bereich geht, um Herausforderungen oder auch bei grösseren Entwicklungen. Also auch bei einer Pandemie, zum Beispiel. Wenn ich mir die Frage so stelle, nehme ich eine ganz andere Haltung ein als die allermeisten Menschen, die sich aktuell zum Coronavirus und dessen Folgen äussern. Die meisten wollen uns etwas erklären, ihre Meinung als die wichtigste verkaufen, sich beschweren, ihrem Ärger Luft verschaffen oder uns von üblen Machenschaften überzeugen, die sie aufgedeckt haben. Weiterlesen