Ich habe gerade einen Facebook-Beitrag gelesen, den ich zum Anlass nehme, Männerherz zum Thema Klima sprechen zu lassen. Der Beitrag geht so: Zunächst wird auf die grossen Umweltsünder Brasilien, China und USA verwiesen, dann auf die Nutzlosigkeit einer CO2-Steuer in Deutschland. Dann folgt noch ein Aufruf an die „Klimasekte“, dafür zu sorgen dass DAS abgestellt werde. Und es gibt Leute – auch Freunde von mir – die diesen Post liken. Ich möchte deshalb etwas zu unserer eigenen Verantwortung sagen.
Dieselbe Argumentation habe ich auch schon bei Schweizer SVP-Politikern gehört. Die Schweiz sei viel zu klein und könnte deshalb nichts ausrichten. Sprich: politische Massnahmen in der Schweiz bringen rein gar nichts. Sollen zuerst die anderen schauen. Der erwähnte Facebook-Post verwendet dieselbe Ausrede, um ja nichts selber tun zu müssen. Solange China Kohlekraftwerke baut und Brasilien den Regenwald abholzt, muss ich selbst nichts tun. Ich darf ruhig mit meinem SUV durch die Stadt und die Natur kurven, darf Kreuzfahrten unternehmen, fürs Wochenende nach London oder Rom fliegen, meine Ölheizung auf Hochtouren laufen lassen, viel zu viel viel zu billig einkaufen und dann wieder wegwerfen usw.
Und dann kommt noch der Vorwurf an die „Klimasekte“, sie solle sich doch zuerst um die Behebung des Problems kümmern, bevor sie bei uns Einschränkungen des Lebensstils fordert. Wie denn: Haben wir denn tatsächlich ein Problem? Und sind diejenigen, die dieses Problem ansprechen für dessen Lösung verantwortlich? Sollen zuerst die anderen dafür sorgen, dass die noch anderen mit ihrem klimaschädlichen Verhalten aufhören? Und ich selbst begnüge mich damit, wütige Posts zu schreiben und über die „Klimasekte“ zu schimpfen?
Für mich fängt es immer (IMMER!) bei uns selbst an. Wir Menschen können immer wählen, zumindest was unsere Haltung gegenüber dem IST angeht. Wir können die Augen vor unliebsamen Tatsachen verschliessen oder wir können hinsehen. Der tiefere Sinn unseres Lebens besteht darin, dass wir unseren Beitrag für eine bessere Welt leisten. Das kann im sehr Kleinen geschehen – sprich im Zwischenmenschlichen, in der Familie, in der Partnerschaft – es kann aber auch im Grossen geschehen. Anfangen müssen wir aber ohnehin immer bei uns und somit im ganz Kleinen. Ich bin für mein Leben und mein Verhalten verantwortlich. Niemand sonst. Ich kann niemandem die Schuld dafür geben, wie ich heute bin. Klar, ich kann schon meinen Eltern oder dem Umfeld die Schuld geben. Aber es bringt mich als erwachsener Mensch nicht weiter. Ein wahrer Erwachsener übernimmt diese Verantwortung, setzt sich mit der Ungerechtigkeit auseinander und vergibt schliesslich denen, die er dafür verantwortlich gemacht hat.
Zurück zum Klima und der Schuldfrage und der Frage der Verantwortung. Das Thema Umweltschutz beschäftigt mich seit meiner Kindheit. Als Jugendlicher war ich anfangs der 70er Jahr an einer Demo gegen ein geplantes Atomkraftwerk. Ich konnte nicht verstehen, wie man auf eine Technologie setzen wollte, bei der man nicht wusste, wohin mit dem produzierten radioaktiven Abfall. Wir hatten nach der Ölkrise autofreie Sonntage und ein gewisses Bewusstsein dafür, dass wir auf alternative Energien setzen müssen. Ich habe mich auch politisch mehr oder weniger aktiv dafür eingesetzt, hauptsächlich habe ich mich entsprechend verhalten. Einfach für mich, weil es mir wichtig war. Ich habe auf ein Auto verzichtet, weil ich es als Quelle von Luftverschmutzung ansehe: Russ, CO2, Feinstaub. In den 80er Jahren hatten wir Diskussionen über Temporeduktion auf Autobahnen wegen des Waldsterbens, verursacht durch sauren Regen (sauer wegen der Kohlensäure CO2). Einige mahnten schon die globale Erwärmung durch das CO2, aber in der Schule hörten wir noch von einer möglichen neuen Eiszeit, verursacht durch die Luftverschmutzung. Es kam das Ozonloch, verursacht durch Fluorkohlenwasserstoff als Treibgas. Da der Verzicht auf FCKW etwas leichter fällt als auf fossile Brennstoffe, schafften wir die Reduktion in kurzer Zeit. Wir hörten von zerstörten Lebensräumen durch Zersiedlung und Betonierung der Landschaften, durch die Intensivierung der Landwirtschaft und den Einsatz von Kunstdünger in unkontrollierten Mengen und von Pestiziden und anderen chemischen Käulen. Das Bienen-, Insekten- und Vogelsterben ist eine weitere Folge dieses Missbrauchs der Natur.
Als Konsument kann ich darauf Einfluss nehmen, indem ich auf biologische Produkte aus der Region setze. Wer behauptet, Konsumenten hätten keinen Einfluss, der verkennt die Mechanismen der Marktwirtschaft. Mit anderen Worten: wir haben es selbst in der Hand! Nicht das grosse Problem zu lösen, aber unseren aktiven Beitrag zu dessen Lösung zu leisten. Die Schuldzuweisung an andere ist eine bequeme Ausrede, um selber kein schlechtes Gewissen zu haben und um selbst nichts tun zu müssen.
Und wie verhält sich das nun mit der Politik? Ich bin ja ein Anhänger des Sowohl-Als-Auch. Das eine schliesst das andere nicht aus. Oder das eine kann ohne das andere nicht wirklich wachsen und erfolgreich sein. Beginnen tut es bei uns selbst. Ich lebe verantwortungsbewusst und achtsam. Damit tue ich Gutes und zeige den Mitmenschen, dass es möglich ist. Und dann setze ich mich politisch und gesellschaftlich für das Anliegen ein. Da nicht alle Menschen so denken und handeln, müssen sie manchmal zu ihrem und unserem Glück gezwungen werden. Wir sorgen durch entsprechende Gesetze, Anreizsysteme und Strafen dafür, dass sich das richtige Verhalten lohnt. Wir wählen Parteien und PolitikerInnen, die sich für diese Anliegen einsetzen und damit Rahmenbedingungen schaffen. Eine CO2-Steuer ist ein solches Anreizsystem. Belohnt wird, wer weniger CO2 produziert. Insektengifte werden verboten. Solaranlagen werden gefördert. Das erleichtert dem Einzelnen ein weniger schädliches Verhalten und er kann seinen Beitrag zur Lösung des Problems leisten.
Und jetzt geht es noch um die Frage, wie das auf globaler Ebene aussieht? Hier ist es für uns Einzelne viel schwieriger, direkten Einfluss zu nehmen. Das Aushandeln z.B. des Pariser Abkommens war ein mühsames Geschäft – und dann reicht ein idiotischer Präsident in einem grossen Land, um es weitgehend auszuhebeln. Es ist allerdings der Job der AmerikanerInnen, diesen Präsidenten möglichst bald abzuwählen. Auch die BrasilianerInnen sind letztlich dafür verantwortlich, dass ihr raubbauender Präsident wieder abgewählt wird. Und in China steht ein ganzes System hinter dem Raubbau an der Natur. Das wird sich wohl nur ändern, wenn China selbst am Russ und Staub zu ersticken droht und die Produktivität dadurch sinkt. Nein, da kann ich, da können wir nicht wirklich etwas dagegen ausrichten. Auch nicht „die Klimasekte“.
Aber statt auf China, Brasilien, die USA und andere grosse Klimasünder zu zeigen und selbst untätig zu sein, verweise ich auf die „75 Ideen, wie Sie den Klimawandel stoppen können. Eine Anleitung zur Rettung der Welt“, erschienen im Tages-Anzeiger. Es lohnt sich, sein eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen, seinen ökologischen Fussabdruck zu kennen und dann Schritt für Schritt sein Verhalten zu ändern.
Für mich geht es letztlich um die Grundsatzfrage, weshalb wir leben. Ich für mich bin überzeugt, dass es darum geht, dass wir den uns zugedachten Beitrag zu einer besseren Welt leisten. Da, wo wir sind und so, wie wir sind. Das heisst dann auch, dass ich mich bewusst mit dem auseinandersetzen darf, wer ich bin und was meine Bestimmung ist.
🙂
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