Vor wenigen Tagen ist eine gute Freundin gestorben, und ich möchte mit euch teilen, was sie uns in den letzten Wochen gelehrt hat. Wie sie sich ins Unvermeidliche ergeben hat, wie sie damit umgegangen ist, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben hat, das war für alle, die sie kennen, bei aller Trauer eine wunderbare Erfahrung.
Mit 75 Jahren hat sie dieses Frühjahr die Diagnose Lungenkrebs erhalten. Uns hat sie davon nichts gesagt, nur angedeutet, dass es gesundheitlich nicht zum besten stehe. Sie hat sich seit einigen Jahren als Seniorin bei uns im Verein engagiert, und das änderte auch mit der Krankheit nichts. Bis dann im Herbst klar wurde, dass es wirklich immer schlimmer wurde. Die Ärzte konnten nichts mehr machen, und das fand Maria gut so. Sie war froh, dass sie sich keinen grossen Therapien und Operationen unterziehen musste. Sie hätte sie ohnehin abgelehnt (aber manchmal ist das dann schwer zu entscheiden).
Ich erfuhr es erst, als sie sich dazu entschlossen hatte, sich in eine Palliativ-Abteilung eines Pflegeheims zu begeben. Mein Kollege erzählte von der aufwühlenden und berührenden Begegnung mit Maria, als sie ihm das eröffnete. Es war so traurig für ihn, die Gewissheit, dass sie uns in naher Zukunft verlassen würde. Und gleichzeitig war es unglaublich schön zu erleben, wie sie selbst mit dieser Gewissheit umging. Ich habe sie dann im Pflegeheim noch einmal besuchen können. Da konnte ich es direkt erleben. Sie sagte, sie habe ihr Leben gelebt. Sie sei dankbar für alles, was sie tun und erleben konnte. Sie sei dankbar und glücklich, dass ihre Kinder ihren Weg gemacht haben, dass sie sich noch bis vor kurzem in der Gemeinschaft engagieren konnte. Sie erzählte dann von ihrem bewegten Leben, in dem sie sich für Menschen einsetzte, die nicht auf der Sonnenseite standen. Und ich konnte mir vorstellen, wie die zierliche Frau auch schwere Jungs mit ihrer klaren und herzlichen Art überzeugen konnte.
Für nahestehende Personen machte sie es auf diese Weise sehr leicht, mit dem bevorstehenden Tod umzugehen. Sie erwartete nichts Besonderes. Als ich sie fragte, ob sie eine Vorstellung von dem habe, was sie erwarte, verneinte sie. Sie meinte, das hätten so viele vor ihr schon erlebt, und das komme schon gut. Sie lehrte mich, wie man auch im Angesicht des Todes ganz im Jetzt leben kann. Sie genoss es, von ihr lieben Menschen und von ihrer Familie Abschied nehmen zu können. Sie war – trotz dämpfenden Schmerzmitteln – ganz präsent.
Als ich mich von ihr verabschiedete, war es klar, dass dies für immer sein würde. Sie würde jetzt auf eine Reise gehen, von der sie nicht mehr zurückkommen würde. Doch sie strahlte, und es war klar, dass dies der Gang der Dinge ist. Dass dies gut ist. Dass der Tod zum Leben gehört – wie die Geburt. Und dass es wunderbar ist, wenn wir das akzeptieren können, wenn es dann so weit ist. Es war dann auch keine Überraschung zu erfahren, dass Maria eingeschlafen ist. Ich weiss noch nichts Genaueres, aber ich bin mir sicher, dass sie mit ihrer Haltung ruhig die Reise in die andere Dimension angetreten hat.
Diese Haltung hat uns alle sehr beeindruckt. Maria hat uns vorgelebt, wie der Tod begrüsst werden kann. Und was sie uns auch gelehrt hat: lebe deine Träume, geniesse jeden Augenblick bewusst, dann kannst Du den Tod annehmen, wenn die Zeit dafür ist. Liebe Maria, ich danke dir von Herzen dafür, dass ich das miterleben durfte. Und ich weiss, du ruhst in Frieden und schwebst in einer anderen Dimension, bereits auf dem Weg zu neuen Ufern.