Mir kommt da gerade ein Gedanke… In der Bibliothekscommunity wird gerade eine Publikation von David Lankes auch im deutschen Sprachraum diskutiert. Er betont in seinem Buch „Expect More“ den gesellschaftlichen Auftrag von Bibliotheken. Dieser besteht darin, dass Bibliotheken zur Verbesserung der Gesellschaft beitragen, indem sie die Schaffung von Wissen ermöglichen:
The mission of a library is to improve society through facilitating knowledge creation in the community.
Ich finde das eine sehr schöne und kraftvolle Mission. Als Bibliotheksverantwortlicher oder -mitarbeitende kann ich mir nun überlegen, wie ich dazu einen Beitrag leisten kann, dass unsere Gesellschaft verbessert wird. Und da habe ich mir überlegt, wie das denn wäre, wenn auch andere Bereiche ein solches Selbstverständnis hätten, z.B. die Politik oder die Wirtschaft…
Stell dir vor, die Politik – die politischen Parteien, die Staaten, die Politiker – würde sich zur Aufgabe bekennen, dass sie zum Wohle der Gesellschaft, zum Wohle aller beitragen will, indem sie den Menschen dazu die Rahmenbedingungen schafft. OK, es hat mal so radikale Typen gegeben, die im 18. Jahrhundert das Recht auf Streben nach Glück in die Verfassung schrieben:
We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.
Dieser berühmte Satz stammt aus der US-amerikanischen Verfassung. Das von Gott verliehene Recht auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück sollte durch den jungen Staat geschützt und gefördert werden. Wie wäre es, wenn wir uns heute darauf besinnen würden? Vielleicht etwas anders hergeleitet und argumentiert, aber im Grundsatz: die Politik, der Staat hat die Mission, die Menschen, die alle gleich sind (!) bei der Verwirklichung von Glück zu unterstützen? Und wie wäre es, wenn wir dies nicht auf Staatsgrenzen begrenzen würden? Politik dient dazu, die Menschen auf der ganzen Welt, die ja alle gleich sind, beim Streben nach Glück zu unterstützen. Die Grenzen sind nur dort, wo das Glück eines anderen beeinträchtigt wird. Also kein egoistisches Glück, sondern das Glück des einzelnen in einer gleichen Gesellschaft. Gefällt mir!
Und stell dir mal vor, auch die Wirtschaft würde eine solche Mission verfolgen: die Wirtschaft hat die Aufgabe, Wohlstand und Glück für alle zu schaffen? Sie schafft die Rahmenbedingungen, dass alle Menschen ihr Recht auf ein Leben in Würde wahrnehmen können, indem sie Nahrung, Gesundheit und technische Errungenschaften schafft und bereitstellt. Für alle. Das heisst, dass es nicht um den Profit eines einzelnen Unternehmens geht, sondern um den Beitrag zu Wohlstand und Gesundheit für alle. Nicht einzelne profitieren auf Kosten der anderen, weder einzelne Länder noch einzelne Firmen noch einzelne Personen.
Imagine all the people, living life in peace! Ich weiss, ich bin ein Träumer. Aber ich bin nicht der einzige. Imagine all the people living for today…
Ein Haken bei solchen Utopien besteht darin, dass sie Menschen entmutigen können. Zu weit klaffen Realität und Traum auseinander. Wie kommen wir von hier nach da? Nicht in unserem kurzen Menschenleben. Sehr wahrscheinlich gar nie. Zu stark sind die Interessen einzelner Länder, einzelner Unternehmen, einzelner Menschen. Wer möchte zugunsten anderer auf seine Privilegien verzichten? Welches Land würde seine Ansprüche zurückschrauben, nur damit es anderen besser geht? Welche Firma würde noch existieren, die nicht den Profit sondern das Wohle anderer suchen würde?
Und doch: wir können viel tun. Wir können eigentlich alles tun. Denn unser Wirken besteht darin, dass wir hier und jetzt unser Bewusstsein auf diese grossen Ziele richten. Und wir tun es hier und jetzt. Für uns und in unserem Umfeld, in unserem Wirkungskreis. Der kann sehr unterschiedlich sein, je nach Situation im Leben, je nach Beruf und Möglichkeiten. Bist du Familienfrau oder -mann? Dann wirke bewusst und in Liebe in deiner Familie. Arbeitest du irgendwo am Fliessband als kleines Zahnrädchen im System? Bringe hier Bewusstheit in die Arbeit und sei achtsam im Umgang mit deinen Kollegen. Mit einem offenen Ohr und einem offenen Herzen für die Sorgen und Nöte deiner vielleicht nicht vom Glück verwöhnten Kollegen kannst du sehr viel Gutes bewirken. Und du bringst Bewusstsein auf die Welt.
Das ist mehr als alles andere. Und warte nicht, bis die äusseren Umstände sich verändern. Tu es jetzt. So veränderst du diese Welt.