Heute bin ich über einen Artikel in Der Zeit gestolpert zum Thema die Wohlfühl-Lüge von Laurie Penny. Sie schreibt differenziert über das Dilemma eines engagierten (linken) Menschen, der sich schwer damit tut, dass die Selbstliebe im Vordergrund stehen soll. Wie vertragen sich Selbstliebe und gesellschaftliches Engagement? Oder schliessen sie sich aus?
Es ist ja wirklich ein Dilemma: wenn ich das annehmen soll, was ist, wenn ich meine Lebensrealität akzeptieren soll – wie kann ich denn ein ungerechtes System verändern? Soll ich die Welt jenen überlassen, die Macht und Gewalt ausüben und andere ausnützen, während die friedliebenden Menschen in sich kehren und den Tätern verzeihen? Soll sich ein Arbeitsloser, ein sozial benachteiligter Mensch, ein Hungernder, ein Kriegsopfer mit seiner Situation abfinden und dem Schicksal dankbar sein? Was können wir dagegen tun, dass es Menschen gibt, die aus dem Unglück anderer Profit schlagen, die Hass säen und Gewalt ausüben?
Ich denke, wir müssen da unterscheiden zwischen der persönlichen Lebenssituation und den gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Annahme dessen, was ist, bezieht sich ganz direkt und allein auf dich und deine Situation. Mir kommt gerade das Beispiel von Nelson Mandela in den Sinn: er hat seine Situation akzeptiert und seinen Peinigern verziehen. Und er hat trotzdem für einen politischen Umbruch gesorgt, blieb also nicht passiv. Seine innere Haltung hat massgeblich dazu beigetragen, dass dieser Umbruch weitgehend friedlich geschah. Nelson Mandela hat aus Liebe zu sich und den Menschen gehandelt.
Wir müssen also nicht die gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse akzeptieren und mit einem sanften „Ohm“ in unserer Meditation begleiten. Als Individuum geht es aber darum, dass wir erkennen, was unser Beitrag an diesen Verhältnissen ist. Und dass wir zuerst bei uns selbst beginnen müssen. Das ist kein politisches Programm. Aber wir können die Welt nicht in eine friedliche verändern, wenn in uns selbst ein Krieg tobt, wenn der Hass in uns nagt. Wir müssen mit uns selbst ins Reine kommen. Anerkennen, dass es für mich einen Sinn hat, dass ich in der aktuellen Situation lebe. Und nicht die Schuld im aussen suche, mich als Opfer betrachte.
Eckhart Tolle wurde mehrfach mit dieser Frage konfrontiert und hat mit folgendem Bild geantwortet: Wenn du mit deinem Auto im Schlamm stecken bleibst, geht es nicht darum, das als Schicksal hinzunehmen und die Situation tatenlos hinzunehmen. Es geht darum, zu akzeptieren, dass man jetzt in dieser Situation steckt und zu erkennen, was man aus eigener Kraft tun kann. Man soll also nicht sein Schicksal bejammern oder wütend (auf sich, auf andere, auf die Umstände) werden, sondern erkennen, welche Handlungsmöglichkeiten man in der aktuellen Situation hat. Und dann das umzusetzen, was in der eigenen Macht steht.
Entsprechend geht es auch nicht darum, zu allem „Ja“ zu sagen. Wenn wir Ungerechtigkeit erleben, sollen wir mit einem starken „Nein“ antworten. Was andere denken mögen, soll uns nicht kümmern. Wir erkennen, wann ein Einschreiten nötig und wichtig ist. Damit akzeptieren wir, dass wir gerade jetzt in der Situation sind, dass wir uns engagieren können und müssen. Andere können sich vielleicht nicht wehren, also ist es hier und jetzt unsere Aufgabe.
Und die Grundlage dafür, dass wir das tun können, dass wir stark genug für dieses Engagement sind, liegt in der Selbstliebe. Auf dieser Grundlage fürchten wir die Reaktion der anderen nicht, brauchen nicht ihre Anerkennung. Hier kommt mir das Bild der jungen schwarzen Frau in den Sinn, die an einer Demo in den USA seelenruhig (im wahrsten Sinn des Wortes) vor einer Front von Polizisten steht. Sie stellt sich dieser Macht und zwei sie angreifenden Polizisten in Kampfmontur gewaltlos entgegen (mehr dazu bei Reuters). Das Bild hat eine unglaubliche Kraft.
Das Problem beim Kämpfen gegen etwas besteht darin, dass man sich leicht auf die Ebene dessen begeht, das man eigentlich bekämpfen will. Wenn die Grundlage für ein Engagement Hass ist, verstärkt sich dieser Hass in mir und ausserhalb. Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. So verbessern wir die Welt nicht.
Engagement uns Selbstliebe sind also kein Widerspruch. Selbstliebe bedeutet nicht (zwingend), dass wir uns von der Welt verabschieden. Sie ist vielmehr die Grundlage für ein wirklich wirkungsvolles Handeln in der Welt. Sei die Veränderung die du dir für die Welt wünschst! Es geht darum, die grundlegenden Prinzipien der Liebe selbst vorzuleben. Daraus entsteht wirksames Handeln.

Vielen Herzens Dank für diesen Beitrag…!
Liebe Grüsse von
Herz zu Herz
ROGER
https://soscoachblog.wordpress.com/
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