Wenn wir in einer Partnerschaft leben, in der einer der beiden Partner sich von alten Mustern löst und sich neu orientiert, können grosse Spannungen entstehen. Ich habe es so erlebt. Als ich merkte, dass sich meine Partnerin löst und ausserhalb unserer bisherigen Lebenssituation orientierte, hat mich das stark verunsichert. Ja, es hat tiefe Ängste in mir ausgelöst: Angst vor Verlust, Angst nicht geliebt zu werden, Angst vor Trennung. Heute kann ich darüber lächeln. Aber damals war für mich die Vorstellung einer Trennung nach xx-Jahren Ehe und Partnerschaft die absolute Horrorvorstellung. Ich würde alles verlieren, was mir etwas bedeutet, war meine Vorstellung.
Ich habe es dann „geschafft“, diese neue Dimension zu verstehen und habe mich auch auf den Weg gemacht. Wenn ich aber diese erste Phase betrachte, dann spielte sich noch alles rund um die Partnerschaft ab. Ich las mit Freude Textstellen in Büchern, die betonten, dass ein spiritueller Weg gemeinsam möglich sei. Oder dass es das höchste Glück sei, wenn dies zwei gemeinsam tun könnten. Ich klammerte mich an diese Vorstellung und an meine Partnerin, das ist mir heute klar. Doch je mehr ich mich an der Partnerin und der Partnerschaft klammerte, desto weiter entfernte sich die Partnerin. Ich lebte in diesem Mangel und hatte weiterhin Angst vor Trennung und Verlust.
Schliesslich kam es dann zur Trennung. Sie erfolgte schrittweise, was manchmal besonders hart war. Manchmal dachte ich, ob das denn nie aufhöre. Aber es hörte erst dann auf, als es fertig war. Und ich merkte an diesem Punkt, dass ich diese Schritte gebraucht hatte. Am Tag X war ich dann wirklich bereit auf das Abenteuer loszulassen. In dem Moment, als ich wirklich Ja sagen konnte zur Trennung und als ich wirklich loslassen konnte, überkam mich ein wunderbares Gefühl. Ein Gefühl der Freiheit, ein Gefühl, mich könne nichts mehr umhauen, wenn ich das geschafft habe. Und ich merkte, wie sehr sich immer alles um die Partnerschaft gedreht hatte. Mich selber hatte ich nur als Teil des Ganzen gewürdigt. Nun war ich alleine gestellt und es war gut so.
Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass wir als Partner im Verlaufe der Jahre uns so miteinander verstrickt hatten, dass die harte Trennung die richtige Lösung war. Ich wäre nicht bereit gewesen für eine Loslösung im Rahmen der Partnerschaft. In der langjährigen Beziehung konnte ich mir nicht vorstellen so zu leben, wie ich es heute mit meiner neuen Partnerin kann. Wir leben jetzt eine Nähe und eine Ferne, die im Wechselspiel wunderbar ist. Nun verstehe ich erst richtig, was Robert Betz meint, wenn er sagt, man solle die Ehebetten zersägen und auf Rollen stellen. Wir brauchen unser eigenes Leben, wir sind als Einzelwesen vollständig und können alleine glücklich sein. Und erst wenn wir das fühlen, können wir auch einen Partner „richtig“ lieben. Wobei ich eher von „lieben“ sprechen würde, wenn wir von dem reden, was man gemeinhin darunter versteht. Denn wahre Liebe macht frei, wie Robert Betz (schon wieder er) sagt. Ja, wer sich für dieses Thema interessiert, findet bei ihm zunächst erschreckende und aufrüttelnde Aussagen. Aber wenn wir uns diesen Dämonen stellen, werden wir reichlich belohnt.
Zur Frage im Titel des Beitrags: ich denke, dass beides möglich ist. Aber die Voraussetzung für einen gemeinsamen Weg besteht darin, dass wir auch alleine gehen können. Wenn wir frei sind und uns dann dafür entscheiden, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen oder eine eigene Route zu wählen und weiter vorne/oben wieder zusammenzukommen, dann wird es der richtige Weg sein. Und wo der hinführt, dürfen wir alle für uns alleine erfahren…