Verunsicherte Männer

Im Stadtblog des Zürcher Tages-Anzeigers hat Réda El Arbi einen Beitrag zum Thema „Das männliche Sexdating-Trauma“ geschrieben. Dazu hat er Erfahrungen von Bekannten zusammengetragen, die sechs Männer und ihre frustrierenden Erfahrungen mit Dating in der Stadt Zürich beschreiben. Für mich sind es Beispiele für eine grosse Verunsicherung. Doch wie damit umgehen?

„Wie um Himmels Willen soll ich wissen, ob eine Frau offen ist für Casual Dating? Soll ich Gedanken lesen?“ „Man nimmt seinen ganzen Mut zusammen, versucht einen geraden Satz zu stottern und wird abgefertigt. Dann der Anspruch, man(n) soll ‚authentisch‘ sein. Und wenn ich meine Unsicherheiten nicht überspiele, bin ich ein Wimp.“ (Dani, 35)

„Als Mann bist du für den ersten Schritt zuständig. Du bist Bittsteller, musst dich verkaufen, musst umwerben, verführen, überzeugen. Echt.“ (Felix, 39)

Die sechs Männer sind ziemlich ratlos, wie sie sich verhalten sollen. Sie fühlen Erwartungen, die widersprüchlich scheinen: man soll authentisch sein, stark sein, cool sein – aber auch zurückhaltend, sensibel. Mann muss führen, umwerben – also die klassische Rolle beim Verführen spielen. Aber dann ist plötzlich Schluss, man wird abserviert. Frauen scheinen sich einen Sport daraus zu machen, Männer anzumachen und sie dann zurückzuweisen. So ist das Singleleben auch im 21. Jahrhundert zumindest in Zürich kein Vergnügen.

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So, nun betrachten wir diese Erwartungen und Verhaltensweisen doch mal etwas nüchterner. Ich gehe immer davon aus, dass beide Seiten ihren Anteil leisten, wenn etwas nicht harmonisch funktioniert. Was sind denn die eigenen Erwartungen der Männer in diesen Situationen? Wo stehen sie selbst als Mann? Mir fällt auf, dass in den Beschreibungen nicht wirklich zwischen Flirten, Daten, Anmachen, Abschleppen, körperlichem Vergnügen und dem Aufbauen einer ernsthaften Beziehung unterschieden wird. Man wundert sich, wie man sich authentisch verhalten soll. Doch genau da liegt doch der Schlüssel: Als Mann musst du zuerst wissen, was du willst. Du musst dich selbst erkennen. Du musst dich mit deinen Schwächen auseinandersetzen, deine Mängel und Bedürfnisse erkennen, anerkennen und ihnen auf den Grund gehen. Bis du so bist, wie du wirklich bist. Dann wirst du dich nicht mehr fragen, wie du authentisch rüber kommen sollst, sondern du bist es einfach. Aber das schaffen wir natürlich nicht von heute auf morgen. Authentisch sein ist ein hoher Anspruch, und ich bin sicher, eine gute Partnerin wird dich auch dann akzeptieren, wenn du zumindest ernsthaft versuchst, authentisch zu sein.

Etwas anderes ist wichtig: Du trägst ein Schild auf deiner Stirn, auf dem steht, dass du bedürftig bist. Jede Frau, die dich eigentlich interessieren würde, die dem entspricht, was du dir als Partnerin erträumst, kann dieses Schild lesen. Wenn du bedürftig nach Sex, nach Bestätigung, nach Zuwendung oder Anerkennung auf die Suche gehst, wirst du allenfalls jemanden finden, der ebenso bedürftig ist wie du. Dein Mangel zieht den gleichen Mangel an. Und wenn die bedürftige Partnerin dann erkennt, wie bedürftig du bist, wird sie dich entweder an sich zu klammern versuchen oder abservieren. Beides ist nicht das, was du dir wünschst.

Was willst du? Eine Partnerin fürs Leben suchen? Dann öffne dich für den Gedanken, dass du dir eine Partnerin fürs Leben wünschst. Und dann gehe offen durch dein Leben. Schau gut zu dir. Pflege deine Interessen und führe ein bereicherndes Leben. Triff Leute. Triff Männer. Wenn du fühlst, dass du alleine glücklich sein kannst, wenn du dir selbst die beste Gesellschaft bist, dann wird das Nicht-Gesuchte eintreffen.

Was willst du? Eine Frau für die Nacht? Da kann ich leider nicht helfen, die Erfahrung habe ich selbst nicht gemacht. Ich habe neulich das Buch von Björn Thorsten Leimbach „Abenteuer männlicher Verführung“ gelesen – und war etwas enttäuscht, dass er vor allem praktische Tipps fürs Verführen gibt. Aber vielleicht hilft es dir zu verstehen, wie du vorgehen kannst – und was du sicher bleiben lassen musst. Wenn ich mich richtig erinnere, geht auch Leimbach davon aus, dass es Zeit braucht. Genau, er beschreibt drei Phasen: Anziehung, Vertrauen und dann Verführung. Und dass Frauen ein sehr feines Gespür dafür haben, ob sie einen Leader (Alpha-Mann) oder einen Looser (Beta-Mann) vor sich haben. Er gibt dann verschiedene Tipps und Tricks, wie du dich verhalten musst. Aber mir kam das ziemlich oberflächlich vor. Sei einfach authentisch…

Was willst du? Interessante Menschen kennenlernen, schöne Begegnungen mit Frauen haben? Möchtest du flirten? Verwechsle das nicht mit Daten oder einem Vorspiel zum Abschleppen. Auch gerade heute gelesen habe ich ein Interview mit Güzin Kar, der Regisseurin einer neuen Serie über das komplizierte Sexualleben langjähriger Paare (und Kolumnistin). Sie sagt: „Der Schweizer hat Mühe mit der Ineffizienz des Flirts. Man flirtet ja nur in den allerwenigsten Fällen, weil man mit seinem Gegenüber ins Bett will. Man flirtet, weil es gerade lustig ist, weil der Flirt eine Situation verspielter macht.“  Lieber Mann, hast du das verstanden? Wenn du flirtest, machst du es, weil flirten Spass macht. Weil es eine schöne Erfahrung ist. Aber sobald du Hintergedanken hast, wenn du mit dem Flirten einen Zweck verfolgst, nämlich die Dame abzuschleppen und zu verführen, geht der Zauber verloren.

Und schliesslich noch dies: Was ist, wenn es mit dem Dating geklappt hat? Wenn sich zwei Gleichgesinnte getroffen haben, die sich nun körperlich näher kommen wollen? Kleine Einschränkung: Da bin ich jetzt auch nicht der Profi, vielleicht fragst du noch den Dating-Doktor für eine Zweitmeinung. Aber mir scheint es besonders wichtig, dass du ehrlich zu dir und zu deiner (vielleicht nur kurzfristigen) Partnerin bist. Mach dir nichts vor, mach ihr nichts vor. Du musst nicht den Hengst spielen. Geniesse einfach den Moment und die Begegnung mit diesem Menschen. Und falls dieser Mensch plötzlich seine Meinung ändert und nun doch lieber nicht weitermachen möchte. Dann ist es deine heilige Pflicht, das zu akzeptieren. Erinnere dich: Du brauchst nichts. Du bist nicht bedürftig. Du kannst jederzeit in Würde und Respekt stoppen – und darfst das übrigens auch, wenn dich plötzlich Zweifel befallen.

Ich habe den Beitrag mit „verunsicherte Männer“ überschrieben. Ich weiss, es ist keine einfache Zeit. Wir Männer sind besonders herausgefordert. Aber wir haben dadurch die Chance, uns weiter zu entwickeln, zu wachsen. Dafür dürfen wir den Frauen, die uns herausfordern, die ihre Rechte einfordern, dankbar sein. Und die gute Nachricht (Achtung: Werbespot!): Männerwelten und Männerherz (Hannes und Ruedi) bieten eine Gelegenheit für Männer, sich gemeinsam diesen Themen zu widmen. Sie unter Männern zu besprechen und für sich Antworten auf drängende Fragen zu finden. Erstmals am 25.-27. Mai 2018 im Seminar Männer 2.0. Verunsichert? Buchen! Ich freue mich auf spannende Begegnungen!

3 Gedanken zu “Verunsicherte Männer

  1. „Was willst du?“ Eine der wichtigen Fragen, nicht nur im Beziehungsbereich. Wir Männer müssen wieder ganz neu lernen, Verantwortung zu tragen, für das, was im Job, in der Beziehung und Partnerschaft, in der Sexualität, in der Familie, im Freundeskreis, im Leben abläuft. Und wir sind gefordert, uns in einer ganz neuen Qualität einzubringen: Mit mehr Authentizität und mehr Integrität. Die Welt ruft nach solchen Männern!

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  2. „Du bist nicht bedürftig“ ist eine sehr gute Aussage. Und klar sollte jeder wissen, was er will.
    Ich habe trotzdem den Eindruck, dass hier wieder die Hauptverantwortung dem Mann zugeschoben wird.
    Wieso sind Männer besonders herausgefordert? Sind es nicht eher die Frauen, die etwas aufzuholen haben mit „dem ersten Schritt“? Ich denke Männer sollten da viel entspannter rangehen. Verunsichert sind sie höchstens mit übertriebenen Sexismusdebatten. Genau deshalb sollte ja auch die Frau heute die Initiative ergreifen. Sie ist in der Bringschuld, da sie kein Risiko eingeht. Und schliesslich wollen sie auch (fast) alle letztlich irgendwann Kinder.
    Welche Rechte sollten Frauen einfordern können? Dass Männer immer noch die Initiative übernehmen müssen und sich nach ihren Vorstellungen richten? Oder was ist damit gemeint?
    Es ist jedenfalls wenig dienlich, Männern noch mehr Stress und Verantwortung zuzuschieben mit „Ich weiss, es ist keine einfache Zeit. Wir Männer sind besonders herausgefordert“.

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    1. Lieber Mark, herzlichen Dank für deine Rückmeldung. Ich sage das ganz bewusst so: Wir sollten uns nicht als Opfer sehen, sondern die Gelegenheit nutzen, uns und unsere Rollen zu hinterfragen. Deshalb frage ich mehrmals: „was willst DU?“ Wir sollten uns nicht nach Bedürfnissen anderer richten, sondern für uns herausfinden, was wir wirklich wollen, was unserem Wesen entspricht. Und das ist absolut keine Aussage gegen Frauen. Ob wir Männer aktiv werden oder Frauen den ersten Schritt machen, sehe ich völlig entspannt. Mal ist es so, mal anders. Das sollten wir spielerisch nehmen. Und über uns und über Misserfolge lachen können. Und ich weiss, dass das nicht einfach so geht. Deshalb dürfen wir an uns selbst arbeiten. Für mich ist das der eigentliche Sinn unseres Daseins, dass wir an Situationen wachsen und uns weiterentwickeln.

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